Fisch

Und da war noch …

... die Sache mit dem Fisch

Ein Beitrag unserer Kolumnistin C. Eißing

Ob frisch oder geräuchert vom Wagen neben REWE, ob tiefgekühlt oder kon­ser­viert in der Dose bei Aldi:
Wer Fisch kaufen will, findet nach wie vor ein reiches Angebot – trotz der seit Jahren wiederholten Mahnungen, dass die meisten Bestände bereits völlig über­fischt sind.

Garnelen liegen dekorativ auf Pizzen, Lachs verschwindet gemeinsam mit Spinat zwischen Lasagneplatten und fehlt in geräucherter Form bei kaum einem Brunch. Matjesbrötchen für die Großen, Fischstäbchen für die Kleinen.

Hier ein paar Zahlen aus der Statistik des Fischinformationszentrums (FIZ):

Jährlich verzehrt jede:r Deutsche im Schnitt 14,3 Kilogramm Fisch. Am größten ist der Appetit auf Lachs, sein Anteil liegt bei 18,8 Prozent, dicht gefolgt vom Seelachs (17,7), der in den meisten Fisch­stäb­chen oder über­ba­cke­nen Filets steckt. Auf Platz 3 kommt schon der Thunfisch (11,4), eine beliebte Zutat bei Pizza und Pas­ta­ge­rich­ten. Hering (10) und Garnele (7,4) liegen auf den Plätzen 4 und 5. Seit dem Corona-Jahr 2020 war kon­ti­nu­ier­lich ein deutlicher Anstieg des Pro-Kopf-Verbrauchs zu verzeichnen.
Weltweit betrachtet liegt der deutsche Fisch-Konsum sogar noch im unteren Drittel. Laut dem Fischerei­bericht der UN-Welt­er­näh­rungs­or­ga­ni­sation wird rund um den Globus so viel Fisch gegessen wie nie zuvor: Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 20,5 Kilogramm. Besonders viel wird in China, Süd­ost­asien, Skandinavien und West­eu­ropa verzehrt, nämlich mehr als 30 Ki­lo­gramm pro Kopf und Jahr.

Das heißt ganz eindeutig: Bald ist nicht mehr viel zu holen!

Der weltweite Hunger auf Fisch hat für die Bewohner der Weltmeere dra­ma­tische Folgen. Der kleine Kutter, der in der Nacht aufs Meer hinausfährt und am Vormittag mit frischem Fang zurückkehrt ist nur eine romantische und komplett unzutreffende Vorstellung vom Fischerei-Geschäft!
Die Realität sind riesige Fangflotten, die über mehrere Wochen hinweg un­ter­wegs sind. Ihre Grund­schlepp­netze durchpflügen den Meeresboden. Die tonnenweise eingeholten Fische werden direkt an Bord eingefroren, un­brauch­ba­rer Beifang (zum Beispiel Jungfische oder Delphine) tot über Bord geworfen. Nach Angaben der Ernährungs- und Land­wirt­schafts­or­ga­ni­sation der Ver­ein­ten Nationen (FAO) ist bereits mehr als ein Drittel der kommerziell genutzten Fischbestände hoffnungslos überfischt oder, besser gesagt, LEERgefischt.

Um Meere und Fischbestände zu schützen und Standards für eine nach­hal­tige Fischerei aufzubauen, ist 1997 der Marine Stewardship Council (MSC) ins Leben gerufen worden. Das MSC-Siegel mit dem kleinen stilisierten Fisch ist inzwischen auf vielen Fisch­pro­duk­ten in deutschen Su­per­märk­ten zu finden und so etwas wie der Mindeststandard für einen ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ten Einkauf. Doch für wie viel Nachhaltigkeit das MSC-Siegel heute noch steht, ist umstritten, denn viele Expert:innen und Umweltverbände fordern dringend, die Zertifizierung in Bezug auf Fang­me­tho­den und Schutzgebiete zu überarbeiten, damit die Gesundheit der Meere und die Qualität der Fische erhalten bleibt. Neben dem MSC-Siegel gibt es noch zwei weitere Logos für Wildfisch, an denen sich Fischliebhaber:innen ori­en­tie­ren kön­nen: das Siegel Naturland Wildfisch und das Label FollowFish. Naturland zertifiziert ausschließlich kleine hand­werk­li­che Fischereien, gibt Richtlinien für die Verarbeitung vor und legt außerdem Wert auf soziale Standards. FollowFish ergänzt das MSC-Siegel, indem es einen Tracking-Code auf die Verpackung setzt, um aufzuzeigen, wo und wie der Fisch gefangen und verarbeitet wurde.

Angesichts der erschreckenden Über­fi­schung klingt es doch erst einmal gut, dass etwa die Hälfte der weltweit verzehrten Fische, Schalentiere und Muscheln mittlerweile nicht mehr wild gefangen wird, sondern aus Aqua­kul­turen stammt. Die Produktion in solchen Wassergehegen hat sich seit 1986 mehr als verfünffacht – von 15 auf 82 Millionen Tonnen. Der bei uns so beliebte Lachs beispielsweise kommt zum größten Teil aus Aquakulturen in Norwegen, Schottland und Chile.
Doch nennen wir das Kind ruhig beim Namen: Aquakulturen sind nichts anderes als Massentierhaltung. Wie an Land auch leben die Tiere dicht an dicht. Deshalb haben Krankheiten und Parasiten leichtes Spiel, Antibiotika und Schädlingsbekämpfungsmittel werden eingesetzt, um Abhilfe zu schaffen. Auch die Fütterung ist ein Thema: Viele Unternehmen versuchen mittlerweile, die Ernährung der in Gefangenschaft gehaltenen Tiere von Fischmehl auf eine weitgehend pflanzliche Kost aus Soja, Getreide, Erbsen und Raps umzustellen – zum einen wegen der gestiegenen Kosten, zum anderen wegen der anhaltenden Kritik an der absurden Praxis, dass wild lebende Fische gefangen, vermahlen und dann an ihre Genossen verfüttert werden. Artgerecht ist die Ernährung mit Soja und Co. jedoch auch nicht.

Aber Aquakultur kann auch gesünder und umweltfreundlicher betrieben wer­den. Als einziger ökologischer An­bau­ver­band in Deutschland vergibt Naturland in diesem Bereich sein Label, wenn bestimmte Anforderungen erfüllt sind. So sind die Besatzdichten begrenzt, Fischmehl darf nur aus Verarbeitungsresten von Speisefischen und nicht aus eigens gefangenen Fischen bestehen, Gen-Soja ist nicht erlaubt. Außerdem gibt es Vorgaben für Schlachtung, Transport usw.
Es gibt sogar bio-zertifizierte Fi­sche­rei­pro­dukte – jedoch spielt ihr 5 Prozent-Anteil am Markt nahezu keine Rolle.

Um unseren ständig steigenden Hunger auf Fisch zu stillen, werden zudem Fische und Garnelen an Land gezüchtet, nämlich in Becken oder Tanks in geschlossenen Kreislaufsystemen, was tatsächlich Vorteile bringt. Bei herkömmlicher Aquakultur sind die Gewässer um die riesigen Fischkäfige häufig durch Kot und die intensive Fütterung überdüngt und unbrauchbar, bei geschlossenen Systemen wird das Wasser aufbereitet. Aber naturnah ist das alles nicht.

Aquakulturen wären nicht notwendig, wenn wir nachhaltig und pfleglich mit den Gewässern und ihrer tierischen Bevölkerung umgingen. Doch alle Weltmeere sind inzwischen nicht nur geplündert, sondern auch hoffnungslos vermüllt!
Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) landen jedes Jahr mehr als 9 Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen. Bleibt es bei unserer Gewohnheit, Plastikflaschen und Verpackungen nach einmaligem Gebrauch wegzuwerfen, ist es sehr wahrscheinlich, dass es im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren gibt, von den Schäden durch Mi­kro­plas­tik ganz zu schweigen.

Vielleicht vergeht uns angesichts solch verheerender Zustände der Appetit auf Fisch bald ganz von selbst. Es wäre aber schon viel gewonnen, wenn wir den Genuss von Fisch und anderen Mee­res­früchten wieder als Luxus betrachten würden. Als Delikatesse, die nur selten auf den Tisch kommt. Und dann – wie das Stück Bio-Fleisch – ver­ant­wor­tungs­bewusst ausgewählt und an­ge­mes­sen bezahlt wird.

Praktische Orientierung beim Einkauf geben die Fisch­rat­geber von WWF fisch­rat­geber.wwf.de und Greenpeace greenpeace.de — Fischratgeber als PDF.

Unsere Kolumnistin

Claudia Eißing


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