Lebendfalle
Und da war noch …
... die Sache mit der Lebendfalle
Ein Beitrag unserer Kolumnistin C. Eißing
Da lag sie, malerisch im Tulpenbeet, eine schwarz-weiße Schönheit, offensichtlich die Sonnenstrahlen auf ihrem Pelz genießend. Als ich mich bewegte, huschte sie, flach an den Boden gepresst, davon. Irgendetwas stimmte nicht mit dieser Katze, aber ich konnte nicht genau benennen was es war.
Wenige Tage später sah ich sie erneut beim Sonnenbaden in der Rabatte. Und wieder eilte sie sogleich davon. Diesmal aber erkannte ich ihr Problem ... sie humpelte. Nein, genauer gesagt, sie bewegte sich so rasch es eben ging auf drei Beinchen.
Drei Beinchen? Was war mit dem vierten geschehen? Hatte sie eine akute Verletzung? Einen Unfall?
Die Sache ließ mir keine Ruhe, und prompt hörte ich in den Gärten nachts jämmerliches Katzengeschrei. Da musste etwas geschehen.
Also rief ich bei der Tierhilfe Niederrhein e.V. an und bat um Unterstützung. Hier war man sehr kurz angebunden, verwies mich aber immerhin an eine Mitarbeiterin, die erst nach Stunden telefonisch zu erreichen war. Die Zwischenzeit hatte ich für diverse Recherchen im Internet und Kontaktaufnahme mit verschiedenen Katzenforen genutzt. Nachdem ich die Dame vom Außendienst endlich erreicht und die Situation geschildert hatte, wurde ich erneut das Gefühl nicht los abgewimmelt zu werden. Sollte ich erwähnen, dass ich seit Jahren Sach- und Geldspenden an die Tierhilfe schicke? Sollte ich dieses Tun vielleicht überdenken? Aha. Prompt wurde mir nun angeboten eine Lebendfalle abzuholen, damit das Kätzchen gefangen und zu einem Tierarzt gebracht werden könnte. Allerdings frühestens in einer Woche, eher später. Nein, damit war niemandem geholfen.
Daraufhin Anruf beim Tierheim bzw. Tierschutzverein e.V., wo man mir freundlich erklärte, dass ich für drei Tage eine Lebendfalle bekommen könne. Nein, heute nicht mehr, ich solle morgen nochmal anrufen, da die zuständige Person nicht mehr da sei. Verstehe ich das richtig? Es gibt auch in einer möglichen Notsituation keine Person, die ermächtigt ist einen vergitterten Kasten auszuhändigen? Offensichtlich ja.
Selbst Polizei und Feuerwehr, die ich um Unterstützung bat, waren aus diversen Gründen nicht in der Lage zu helfen. Es handelt sich ja 'nur' um eine Katze.
O-Ton: 'Tja, wenn es ein Wildtier oder eine trächtige Kuh wäre ... hahaha'
So kam ich nicht weiter.
In der folgenden Nacht ging ich mit der Taschenlampe auf die Pirsch und nutzte die Zeit, um knapp hundert Aufrufe für etwaige Hinweise, die ich ausgedruckt hatte, an umliegende Haushalte zu verteilen und an geeignete Stellen zu kleben. Da ich kein Foto der Katze hatte, versuchte ich sie zu beschreiben und hoffte sehr darauf, dass sich der Besitzer bald melden würde, noch nicht ahnend, dass auch in den folgenden Tagen und Wochen keinerlei Reaktionen folgen würden.
Am Nachmittag des Folgetages konnte ich eine defekte, stark verrostete Lebendfalle gegen Pfand von 50,- EUR und Kopie des Personalausweises abholen. Immerhin, sie funktionierte noch. Und wie sie funktionierte!
Nachdem ich die Falle in einem dichten Gebüsch verstaut, gegen die Aprilkälte mit Planen abgedeckt, mit bestem Futter ausgestattet und scharf gestellt hatte – fing es prompt an wie aus Eimern zu schütten. Die erste Nacht brach an. Um 23.00 Uhr verließ ich, bewaffnet mit Taschenlampe und Lederhandschuhen die Wohnung und leuchtete ins Gebüsch. Nichts, die Falltür stand offen. So leicht würde es nicht klappen. Also den Wecker stellen, um alle 3 Stunden aufzustehen, in Gummistiefel und Regenmantel zu schlüpfen und nach der Falle zu sehen. Gesagt, getan. Um 2.00 Uhr nachts ... wieder nichts. Um 5.00 Uhr war es soweit, die Klappe war unten, und ich wurde von einem wütenden grau-schwarzen Kater angefaucht. Falscher Fang, aber immerhin. Natürlich hatte er sich den Bauch vollgeschlagen und der Futternapf musste neu befüllt werden. Um 8.00 Uhr war der Futternapf immer noch voll und die Falle leer. Dabei blieb es den ganzen Tag. Der Boden war inzwischen zu dickem Morast aufgeweicht, und die Nacht würde eisig werden. Es galt die Konstruktion zu verbessern, indem ich auch unter die Falle eine Plane legte, um den Boden, soweit überhaupt möglich, trockener zu halten. In der darauffolgenden Nacht stellte ich den Wecker so, dass er bereits alle zwei Stunden klingelte. Kein Tier sollte bei dieser Witterung länger als nötig in der Kälte ausharren müssen. In der zweiten Nacht ging es Schlag auf Schlag, und ich bekam langsam Routine. Schlafanzugbeine in die Gummistiefel stecken, Pullover, Mütze, Regenmantel, Handschuhe, Ersatzfutter, Taschenlampe, Hausschlüssel nicht vergessen. Um Mitternacht saß ein dicker Igel darin, der überhaupt nicht mehr fort wollte. Ihm gefiel offensichtlich seine gemütliche Behausung, so dass ich ihn regelrecht hinauskullern musste. Ich wunderte mich, dass so früh im Jahr bereits ein Igel aus seinem Winterschlaf erwacht war, aber es hatte ja bereits ein paar warme Tage gegeben. Gut, dass ich Lederhandschuhe trug, denn so konnte ich ihn vorsichtig in ein halbwegs trockenes Gebüsch setzen, wo er herzhaft gähnte und seine rosa Zunge präsentierte, bevor er davon wackelte. Vier Stunden später saß er schon wieder in der Falle und ließ es sich schmecken. Tut mir leid mein Lieber, ich warte auf einen anderen Besuch. Doch auch in dieser Nacht ließ sich das Dreibein nicht blicken, und ich fürchtete schon das Schlimmste. Langsam machte sich bei mir der erhebliche Schlafmangel bemerkbar, und ich beschloss nur noch einen Tag und eine Nacht durchzuhalten. Zudem verschlechterte sich das Wetter rapide in Richtung Dauerfrost. In der nächsten Nacht wartete irgendwann, ich hatte mein Zeitgefühl fast verloren, erneut der Igel auf seine Freilassung, wir kannten uns ja bereits und nahmen es beide gelassen hin. Später beförderte ich erneut den wütenden grau-schwarzen Tiger in die Freiheit. Und danach blieb die Falltür oben. Kein Besuch mehr. Dreibein war nicht gekommen.
Der Rest ist schnell erzählt.
Die Zettel mit Bitten um Hinweise waren im Dauerregen völlig aufgeweicht und wurden entsorgt. Die Lebendfalle wurde zurück- und meine Hoffnung auf Rettung mit Kummer im Herzen aufgegeben.
Bis einige Wochen später meine Nachbarin mir ein Foto zeigte.
Dreibein hatte offensichtlich doch noch einen kleinen Zipfel vom Glück erwischt.
Darum:
Habe Hoffnungen, aber niemals Erwartungen.
Dann erlebst du Wunder, aber niemals Enttäuschungen.