Digitaler Nachlass
Als ich begann, mich mit dem Thema 'Digitaler Nachlass' zu beschäftigen und mir eine erste Stoffsammlung zulegte, war ich geschockt von den Vielzahl von 'wichtigen Tipps'.
Der eine schrieb was von Hard- und Softwareverzeichnissen anlegen, auf der anderen Website wurde erklärt, wie man einen Browsercache ausliest, und so ging es weiter ...
An dieser Stelle möchte ich die wirklich wichtigen Dinge aufführen, die man beim Thema 'Digitaler Nachlass' (auch: digitales Erbe) benötigt.
Meinen Schwerpunkt setze ich darin, bestehende, insbesondere kostenpflichtige Verträge / Abos ausfindig zu machen, um diese zu kündigen. Weiter macht es häufig Sinn, gespeicherte Familienfilme und -fotos den Angehörigen als Andenken zu erhalten. Dazu kommen evtl. wichtige Dokumente (u. a. Verträge, Schriftverkehr, etc.). Hierzu können auch Kontoauszüge gehören, die den Bankkunden gerne in digitaler Form (PDF-Format) zur Verfügung gestellt werden.
Was ich nicht als meine Aufgabe sehe, ist in höchstpersönlichen Dingen 'rumzuschnüffeln', um zu erkunden, womit sich der Verstorbene beschäftigt hat. Falls ich jedoch einen vollkommen unstrukturierten Nachlass vorfinde und hier wichtige Informationen suche, bleibt mir im Zweifelsfall nichts anderes übrig.
Wie definiere ich digitaler Nachlass?
Beginnen wir mit der Kommunikation.
Da sind zuerst die verschiedenen Mail-Accounts zu nennen. Hierfür nutzt man entweder ein Mailprogramm (z. B. Outlook, Thunderbird) oder man greift direkt online über den Browser auf den Account zu. Beim Shopping sind Mails natürlich immer erste Kommunikationsquelle. Sollte man bei der Verwaltung eines digitalen Erbe noch keinen genauen Überblick gefunden haben, empfehle ich, sich den oder die Mail-Account(s) unbedingt genauer anzusehen.
Online Zahlungssysteme
Hier steht an erster Stelle natürlich das klassische Online-Banking, gefolgt von den Online-Bezahlsystemen (z.B. Paypal). Hier wird die betroffene (Haus-) Bank (gegen Vorlage einer Vollmacht) gerne behilflich sein.
In seltenen Fällen wird man aber auch auf digitale Währung (z.B. Bitcoin) stoßen.
Online Shops
Online Shops gibt es unzählige. An dieser Stelle möchte ich nur Amazon, Otto oder eBay nennen. Hinzu kommen die diversen Abos, z.B. Filme, Bücher, Zeitschriften, Tageszeitungen, etc.
Soziale Netzwerke
Unter diesem Oberbegriff möchte ich die die klassischen Dienstleister Facebook und Twitter, die Messenger Whatsapp und Skype, sowie Fotodienste (z.B. Flickr), aber auch allgemeine Web-Foren (mit den unterschiedlichsten Themen) zusammenfassen.
eigene Webseiten
Am Ende möchte ich noch Nutzer nennen, die Webseiten oder Blogs betreiben, teilweise auch mit eigenen Domains.
Es folgt die Software sowie die diversen Dateien.
Zu der Software gehört zuerst einmal das installierte Betriebssystem sowie die verschiedensten Programme, die wir auf den Rechnern vorfinden. In der Vergangenheit wurde Software im Regelfall (einmalig) erworben. In der Zwischenzeit gibt es aber auch Software, nennen wir als Beispiel Microsoft Office, dass man mit einer Nutzungsdauer von einem Jahr erwerben kann. Auch die Antivirus-Software wird gerne mit einer Laufzeit von einem oder zwei Jahren erworben. Je nach Lizenz verlängert sich diese Software dann automatisch.
Sollte man teure Software besitzen, die man z. B. mit einem Lizenzschlüssel weiterverkaufen kann, sollte man dies kundtun. Denn häufig ist dies vielen Angehörigen nicht bewusst und wird dann vernichtet.
Bei den Dateien kann es sich um Bilder (u.a. jpg und png-Format), Musik (häufig mp3 oder wav-Format), Filme oder elektronische Bücher (teilweise auch gesondert auf E-Book-Readern) handeln.
Vergessen wir aber auch nicht die Dokumente aus der Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation (Formate: doc, odt, pdf, xlsx, ...), die evtl. wichtig sind.
An dieser Stelle möchte ich aber auch die Daten nennen, die in sog. Daten-Clouds ausgelagert wurden, wie z.B. Google Drive, Dropbox, und ähnliche ...
Am Ende dürfen wir natürlich auch nicht die Hardware vergessen, die häufig nicht als digitaler Nachlass gesehen wird:
Das ist z. B. das Smartphone bzw. iPhone, was mittlerweile jeder besitzt. Danach kommt der Computer (PC, Laptop, Tablet) sowie die Digitalkamera. Häufig gesellen sich gerne als Zubehör externe Festplatten, USB-Sticks und DVD-Roms dazu. Die vorhandene Hardware lässt sich einfach erfassen, da sie ja für jeden in der Wohnung ersichtlich ist. Hierfür ein besonderes Hardware-Verzeichnis anzulegen, halte ich in vielen Fällen für überzogen. Denn auch beim normalen Nachlass, werden die wenigsten Personen ihre Gegenstände buchhalterisch auflisten.
Bevor ich mit den praktischen Tipps beginne, müssen wir zuerst definieren, über welchen Fall wir reden.
- Da geht es zum einen um einen Nachlass, wo die Angehörigen u. a. die Aufgabe haben, sich mit dem digitalen Erbe auseinanderzusetzen.
- Der zweite Fall betrifft die Vorsorge, d. h. ich kläre bereits zu Lebzeiten ab, was mit meinem digitalen Nachlass geschehen soll. Wobei dies nicht unbedingt eine Frage des Alters sein sollte. Es wäre schön, wenn bereits ein 30 Jahre alter internetaffiner Mensch, seine digitalen Zugänge so strukturiert hat, dass z. B. nach einem schweren Unfall oder auch im Todesfall der betroffene Partner bzw. die Eltern schnell und unkompliziert handeln kann / können.
Rechtslage
Der digitale Nachlass wird grundsätzlich so behandelt, wie der materielle Nachlass, d. h. Rechte und Pflichten gehen grundsätzlich auf die Erben über, solange die AGB's nichts anderes bestimmt haben. So kann z. B. der Nutzer eines eBook Readers ein entsprechendes persönliches Nutzungsrecht besitzen, was aber - im Gegensatz zum Buch - im Todesfall nicht auf die Erben übertragbar ist.
Was zusätzlich Schwierigkeiten bereitet: Viele große Firmen agieren nicht nach deutschem Recht. Hier prallen also verschiedene Rechtsformen aufeinander. Dazu kommen immer wieder 'Einzelfälle', wo Erben ihr Recht nicht durchsetzen können, weil die großen Dienstleister - hierzu zähle ich besonders Facebook - einfach nicht die Wünsche der Erben technisch umsetzen.
Es macht also Sinn, dass man seine Zugangsdaten sicher hinterlegt, damit ein Familienangehöriger weisungsgemäß damit verfahren kann.
Abwicklung eines digitalen Nachlass
Angehörige eines Verstorbenen sollten strukturiert an die Abwicklung eines digitalen Nachlasses herangehen. Liegt keine digitale Datenverfügung vor, empfehle ich folgende Vorgehensweise:
Verschaffen Sie sich zu Beginn einen Überblick und dokumentieren diesen (entweder auf Papier, besser natürlich auf einer Excel-Tabelle). Dies erfolgt einmal durch Sichtung der vorhandenen Medien und zweitens durch Online-Recherchen (Online-Accounts, Cloud-Server).
Zugangsdaten werden gerne in Notizbüchern, auf separaten Blättern, in Word- oder Excel-Tabellen, aber natürlich auch professionell in digitalen Passwort-Manager festgehalten.
Sollten Sie hier nicht fündig werden, durchsuchen Sie zuerst das Mail-Programm bzw. (wenn möglich) den Mail-Account. Da heute die Kommunikation per Mail stattfindet, wird man hier auf diverse Vertragspartner stoßen.
Der Start kann bereits zu Beginn Schwierigkeiten bereiten, wenn Sie keinen Zugriff auf die vorhandenen Geräte haben. Eventuell müssen Sie einen Profi beauftragen. Oder, wie sagen Verkäufer immer so nett: 'Sie haben doch bestimmt in der Verwandschaft einen PC-Spezialisten, der sich auskennt.' Dies sieht nach meiner Erfahrung in der Praxis allerdings anders aus, so dass nur noch ein (kostenpflichtiger) Fachmann übrig bleibt, den man dann vertrauen muss.
Um insbesondere kostenpflichtige Leistungen ausfindig zu machen, empfehle ich, sich mit den Kontoumsätzen (des Girokontos) und den Kreditkartenabrechnungen zu beschäftigen. Denn (fast) alle Zahlungen werden über das Girokonto bzw. der Kreditkarte abgewickelt. Prüfen Sie die Kontoauszüge der letzten zwei Jahre, dann sind Sie auf der sicheren Seite.
Besitzt der Verstorbene auch ein Paypal-Konto, sollte man sich auch diese Umsätze ansehen. Paypal-Zahlungen werden wiederum dem Girokonto bzw. der Kreditkarte belastet. Im Paypal Account sind die Angaben zum Zahlungsempfänger häufig ausführlicher dokumentiert.
Wer hier absolut nicht zurecht kommt, dem empfehle ich die Dienste von Spezialisten, die sich ausschließlich mit dem Thema beschäftigen, z.B. die Firma Columba (www.columba.de). Diese haben zu vielen Internetdienstleistern direkte Kontakte und können hier abfragen, ob entsprechende Accounts bestehen.
Haben Sie alle Punkte aufgelistet, gehen Sie noch einmal genau jede Position durch und entscheiden Sie, was damit geschehen soll.
- Vertrag, Mitgliedschaft kündigen bzw. Account löschen
- Dateien, etc. aufbewahren
- Vertrag, Mitgliedschaft, Account, etc. weiterführen
Jetzt - nachdem Sie sorgfältig alle Nachlasspositionen durchgegangen sind - setzen Sie ihre Entscheidung aktiv um (z.B. Verträge und Abos kündigen, Accounts löschen, Daten kopieren, etc.).